Wirtschaftspolitik: Wirtschaftspolitische Beratung

Wirtschaftspolitik: Wirtschaftspolitische Beratung

 

Die Träger der Wirtschaftspolitik sind angesichts der Komplexität ökonomischer Zusammenhänge auf eine wissenschaftlich fundierte Beratung angewiesen. Dabei stellt sich das Problem, dass eine Beratungsleistung unter der Zielsetzung der Gemeinwohlmaximierung den Charakter eines öffentlichen Guts hat: Insgesamt profitiert die Gesellschaft zwar von einer kompetenten Beratungsleistung, der einzelne Bürger oder das einzelne Unternehmen hat aber wenig Anreize, für eine solche Leistung zu zahlen. Demgegenüber besteht meist eine hohe Zahlungsbereitschaft für Beratungsleistungen, die einer bestimmten Interessengruppe zugute kommen. Ohne eine steuerfinanzierte Absicherung der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung bestünde die Gefahr, dass die Berater in finanzielle Abhängigkeit von bestimmten Interessengruppen geraten. Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung an den Universitäten verfügt zwar über diese Unabhängigkeit, sie ist aber aufgrund ihrer Theorieorientierung oftmals nicht in der Lage, der Wirtschaftspolitik anwendungsorientierte Hilfestellung zu geben.

 

 Organisation der Beratung

 

Vor diesem Hintergrund hat sich in vielen Ländern eine gemischte Institutionenlandschaft der wirtschaftspolitischen Beratung herausgebildet. So wurden Expertengremien zur unabhängigen Beratung von Regierungen berufen. Nach dem Vorbild des US-amerikanischen »Council of Economic Advisors« wurde in Deutschland 1963 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gegründet. Daneben verfügen einzelne Ministerien über Wissenschaftliche Beiräte. Zudem gibt es neben rein gewinnorientierten Forschungsinstituten die gemeinnützigen unabhängigen Forschungsinstitute. Darüber hinaus sind internationale Institutionen wie die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und der Internationale Währungsfonds (IWF) zu nennen, die wichtige Beiträge zur wirtschaftspoliitschen Beratung der Mitgliedstaaten leisten.

 

 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

 

Die Mitglieder des Sachverständigenrats, die »Fünf Weisen«, sind in der Regel Universitätsprofessoren, die diese Funktion nebenamtlich wahrnehmen. Sie werden auf fünf Jahre auf Vorschlag der Bundesregierung nach Anhörung der aktiven Mitglieder des Rats berufen. Der Rat soll in seinem Gutachten, das jeweils am 15. November erscheint, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung analysieren. Außerdem soll er darlegen, wie die Ziele des magischen Vierecks erreicht werden können. Das Gremium darf dabei zwar keine Empfehlungen aussprechen; faktisch umgeht der Rat dieses Verbot aber dadurch, dass er für verschiedene Alternativen unzweifelhaft deutlich macht, welche aus seiner Sicht die beste ist.

 

 Die unabhängigen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute

 

Die Wirtschaftsforschungsinstitute sind formal unabhängig. Ihre finanzielle Basis ist gemischt. Zum einen wird das Budget aus einer staatlichen Grundfinanzierung - in der Regel von Bund und Ländern kommend - bestritten. Zum anderen wird ein nicht unerheblicher Teil des Etats durch bezahlte Auftragsforschung abgedeckt. Auftraggeber sind oftmals die Europäische Kommission, Ministerien des Bundes und der Länder. Dazu kommen Projektfinanzierungen durch Einrichtungen der Forschungsförderung (z. B.Deutsche Forschungsgemeinschaft) und Stiftungen. Schließlich führen die Institute auch in begrenztem Umfang Studien für private Unternehmen durch.

 

 Wissenschaftliche Beiräte der Ministerien

 

In Deutschland verfügen einige Bundesministerien über Wissenschaftliche Beiräte. Besonders zu nennen sind die Wissenschaftlichen Beiräte beim Bundesministerium für Wirtschaft und beim Bundesministerium der Finanzen. Diese Gremien sind unabhängig von der ministeriellen Hierarchie. In unregelmäßiger Folge veröffentlichen sie Gutachten zu zentralen Fragen der aktuellen Wirtschaftspolitik, ohne dabei auf die Position der aktuellen Regierung Rücksicht zu nehmen.

 

 Probleme der Politikberatung

 

Der tatsächliche Einfluss der unabhängigen Beratungsinstitutionen auf die Wirtschaftspolitik ist umstritten. Oftmals entsteht der Eindruck, Gutachten würden für Partikularinteressen instrumentalisiert. Stellungnahmen, welche die Position einer Partei untermauern, werden besonders betont, kritische Forschungsergebnisse werden manchmal unter Verschluss gehalten. Dennoch ist davon auszugehen, dass die angewandte Wirtschaftsforschung zumindest einen indirekten Einfluss auf die Entscheidungen ausübt. So haben etwa die Gutachten des Sachverständigenrats (Jahresgutachten) eine erhebliche Medienresonanz und wirken somit auf die wirtschaftspolitische Meinungsbildung der Wähler und damit auf das Politikerverhalten ein. Die Bundesregierung selbst ist verpflichtet, zu den Jahresgutachten Stellung zu nehmen.